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Suprelorin, die neue Pille
für den Katermann?!
Die vorübergehende , reversible Einschränkung
des Fortpflanzungsgeschehens bei Zuchttieren ist ein oft geäußerter
Wunsch . Seit dem Jahre 2007 ist ein neues Medikament unter dem
Namen Suprelorin© von der Firma Virbac im Handel, welches genau
dieses verspricht. Es handelt sich um ein ca 1 cm langes, dünnes
Wirkstoffstäbchen (Chip) ,das mittels Spezialkanüle
im Bereich des Rückens nach Desinfektion und nötigenfalls
Rasur unter die Haut gespritzt wird ähnlich dem Transponderchip.
Dort bildet es ein Hormondepot, was sich im Laufe
der Zeit nach und nach durch Wirkstoffabgabe an den Körper
auflöst. Primär ist es für männliche Hunde entwickelt
worden, und dient dort der chemischen Kastration, einerseits um
unerwünschten Nachwuchs zu verhindern, andererseits um testosteronbedingte,
unliebsame Verhaltensweisen (Streunen, aggressives Verhalten, Markieren,
Hypersexualität) zu unterbinden und medizinische Probleme wie
Prostataerkrankungen zu beseitigen. Chemisch gesehen ist das Suprelorin
auch den bisherigen hormonellen Mitteln überlegen, da es auf
einem ganz anderen Wirkmechanismus basiert. Es ist ein GnRH Analogon
(Deslorelin) und greift in die Steuerung der Freisetzung der Geschlechtshormone
ein .
Der Hormonhaushalt des weiblichen und männlichen Körpers
wird mittels eines komplizierten Kaskadensystems gesteuert. Oberste
Instanz ist das Gehirn mit dem Hypothalamus und der Hypohyse, die
bestimmte Vorstufen zB das GnRH (Gonadotropin Releasing Hormon)
freisetzen. Das GnRH des Hypothalamus bewirkt die Ausschüttung
von LH (Luteinisierendes Hormon) und FSH (Follikelstimulierendes
Hormon) aus der Hypophyse und diese wiederum die Freisetzung der
Geschlechtshormone aus den Keimdrüsen (Testosteron, Östradiol,
Gestagen etc.). Natürlicherweise erfolgt die Freisetzung von
GnRH stoßweise, würde sie dauerhaft erfolgen, führt
sie über eine Hemmwirkung zur Drosselung und zum Einstellen
der Vorläuferstufen des Hormons und zum Versiegen der Geschlechtshormone.
Und genau dies geschieht mit dem Suprelorinimplantat, es gibt dauerhaft
ein GnRH ähnliches Hormon an den Körper ab, und die Hormonproduktion
wird somit bereits auf Ebene des Gehirns unterbunden.
Innerhalb der ersten vierzehn Tage nach Setzen des Implantats kommt
es noch einmal zur verstärkten Abgabe von Sexualhormonen, was
sich beim Kater in gesteigertem Sexualverhalten und bei der Kätzin
in Rolligkeit äußern kann. Danach kommt es zur reversiblen
Rückbildung des Keimepithels in Hoden, Prostata und Eierstöcken,
was sich auch in einer deutlichen Größenabnahme äußert.
Deshalb sollte das Implantat auch nicht bei Tieren vor Eintritt
der Pubertät gesetzt werden, da es sonst zu einer Rückkehr
des geschrumpften Hodens aus dem Hodensack in Richtung Leistenkanal
kommen kann, also eine ähnliche Situation wie bei einem Binnenhoden
(Kryptorchismus) vorliegt, was auf Ausstellungen zu Erklärungsbedarf
führen könnte.
Das Sexualverhalten wie Maunzen, nächtliche Unruhe, Harnmarkieren,
Kopulationsversuche und das Zeugen von Nachwuchs ist in der Regel
(bei ca 95%) nach 3-6 Wochen erloschen.
Häufig sind auch Änderungen des Verhaltens zu beobachten,
wie verstärkte Anhänglichkeit, Sozialverträglichkeit,
Ruhebedürfnis ,Verbesserung des Haarkleides und Gewichtszunahme.
Die Wirkdauer beträgt beim Rüden über 25 Kg Körpergewicht
ca. 6 Monate, bei kleinen Rüden 12 Monate. Bei Katern und Kätzinnen
liegen bislang nur wenig gesicherte Daten aus Deutschland vor. In
Australien wird Deslorelin bereits seit einigen Jahren mit Erfolg
auch bei Hündinnen, Katern und Kätzinnen, Frettchen und
Zootieren eingesetzt. Die mittlere Wirkungsdauer für Kätzinnen
und Kater beträgt individuell 6-14-18 Monate. Bei Rüden
ist die Reversibilität der Vorgänge am Keimepithel in
wissenschaftlichen Studien erwiesen, bei Katern und Kätzinnen
stehen breit angelegte, wissenschaftlich gesicherte Untersuchungen
noch aus. Es gibt mittlerweile jedoch auch in Deutschland Erfahrungsberichte
von Züchtern, bei denen mit Erfolg eine vorübergehende
Unterdrückung des Zeugungsfähigkeit Ihrer Zuchttiere geglückt
ist. Schwere Nebenwirkungen wie beim Einsatz von gestagenhaltigen
Hormonen zur Unterdrückung der Fortpflanzung wie zB. Gebärmutterentzündung,
Milchdrüsenveränderung und Diabetes werden aufgrund des
anderen Wirkmechanismus von Suprelorin nicht beobachtet. Über
eine vorübergehende Schwellung und Schmerzhaftigkeit am Injektionsort,
die meist innerhalb von 14 Tagen abklingt, ist vereinzelt berichtet
worden. Wie bei allen Maßnahmen zur Empfängnisverhütung
ist auch bei Suprelorin genau vor dem Einsatz das Für und Wider
abzuwägen. Dafür sprechen die sichere Wirkung bezüglich
Triebverhalten, Zeugungsunfähigkeit und meist auch des lästigen
Harnmarkierens sowie die Armut an Nebenwirkungen, dagegen sprechen
im Moment die fehlenden Langzeituntersuchungen des breiten Einsatzes
an Zuchttieren, mit der Garantie ob und wann die Fortpflanzungsfähigkeit
sich wieder einstellt. Die Kosten für ein Implantat betragen
ca. zwischen 40 und 60 € zuzüglich Tierarztkosten; es
gibt Abpackungen zu zwei und fünf Implantaten.
© Dr.Iris Knüfermann Cattery Gryffindors BKH
Persönliche Ergänzungen:
Auch meinem Zuchtkater habe ich im September 2008
den Suprelorinchip (4,7 mg) gesetzt. Bei meinem Kater habe ich aufgrund
einer routinemäßig anstehenden Zahnsanierung die Narkose
zum Setzen des Chips genutzt. Je nach Alter und Statur des Katers
kann die Haut im Nackenebereich ziemlich dick und rigide sein, so
daß es u.U. nicht einfach ist , den Chip an der richtiger
Stelle zu plazieren (nämlich direkt unter der Haut und nicht
im subcutanen Fettdepot, dies kann die Freisetzung des Hormons und
somit die Wirkung des Chips negativ beeinflussen!) . Zur Vorbereitung
der Implantationsstelle sollte eine Minimalrasur und Desinfektion
der Stelle erfolgen. Am Ort der Implantation konnte ich keine Reaktion
feststellen . Vom Hersteller sind als Nebenwirkungen des Setzens
des Chips vorrübergehende Schwellungen für Hunde für
eine Zeitdauer von 14 Tagen bis drei Monaten berichtet. Die vom
Hersteller beschriebene Verstärkung des Sexualverhaltens in
den ersten zwei Wochen konnte ich ebenfalls nicht beobachten . Zuerst
hörte die "nächtliche Unruhe mit Rufen etc. "
nach drei bis vier Wochen auf, dann das Deckverhalten und zum Schluß
das Markieren, das sich sukzessive in der Frequenz verringerte bis
es ganz aufhörte. Vom Verhalten her, wurde mein Kater quasi
in einen vorpubertären Zustand zurückversetzt, er war
wieder verspielt! Seine allgemeine Umgänglichkeit mit anderen
Katzen hat sich positiv verändert (außer in Bezug auf
seinen Intimfeind, das Verhältnis blieb unbeeinflußt
und wird auch nicht sexueller Natur sein ) . auch die Körperstruktur
verändert sich unter der Wirkungdes Chips, zum einen kann man
mit einer Gewichtszunahme durch den gedrosselten Stoffwechsel rechnen
- bei meinem Jungen hat sich das mit ca 1 Kg bemerkbar gemacht,
das Fell wird auch dichter. Die Katerbacken "schrumpfen"
ebenso wie die Hoden unter dem fehlenden Einfluss des Testosterons.
Durch die Rückbildung des spermienproduzierenden Gewebes in
den Hoden kann es zu einem Verlust des Hodenvolumens von 30 - 50
% kommen. Bei nicht ausgewachsenen Katern kann es dadurch sein,
daß sich die Hoden wieder aus dem Hodensack in den Leistenkanal
zurückziehen, deshalb sollte man den Chip nicht für unreife
Jungtiere verwenden. Über zehn Monate hat mein Kater keinerlei
geschlechtsbezogene Verhaltensweisen mehr gezeigt (Schreien, Deckversuche,
Markieren) ab den elften Monat herum trat ab und an Interesse an
rolligen Damen und vereinzelt Deckversuche auf, die bislang aber
ohne Folgen blieben. Das Gewicht ist jetzt wieder um 500 g gefallen,
die Hoden habe ihre alte Größe aber noch nicht wieder
erreicht. Ich würde denken, daß die Wirkung des Chips
mindestens noch 3-6 Monate anhält.
Update Juni 2010 : Joffis erster Wurf mit
sieben gesunden, propperen Kitten wurde 14 Monate nach Setzen des
Chips geboren. Die Hodengröße und Spannung sind zur Norm
zurückgekehrt, das Körpergwicht ist wieder um 1 Kg gesunken
- leider sind auch die "Nebenwirkungen" des potenten Zustands
wieder da :-) . Im Laufe des Jahres 2010 und 2011 ist Joffi noch
mehrmals ohne Probleme Vater geworden. Am 01.01.2012 hat er seinen
zweiten Chip gesetzt bekommen, der jetzt im Ausklingen begriffen
ist, aber zur Zeit noch wirkt.
Darüberhinaus hat mein zweiter
Kater, der wesentlich kleiner ist (um die 4 Kg), ebenfalls einen
4,7 mg Chip erhalten, da er im Besitz seiner Manneskräfte stark
an Kondition und Lebensqualität verliert. Im Oktober 2010 wurde
der Chip gesetzt, zuvor wurde der Chip unter sterilen Bedingungen
um die Hälfte gekürzt. Im Februar 2012 hat der Kater wieder
angefangen zu decken, und die ersten Würfe wurden im April
2012 geboren.
ohne Chip mit 3, 2 Kg mit Chip mit 4,3 Kg
Fazit: Wenn man ernsthaft eine längerdauernde,
reversible, chemische Kastration in Betracht zieht und bereit ist,
das bestehende Restrisiko zu tragen was daraus erwächst das
das Medikament nicht für Katzen zugelassen ist und noch keine
wissenschaftlichen Langzeitstudien vorliegen, ist der Chip in Erwägung
zu ziehen. Vorteilhaft ist in jedem Fall, das im Unterschied zu
den bisherigen Medikamenten zur Hemmung des Sexualverhaltens dem
Kater keine weiblichen Geschlechtshormone mit all ihren potentiellen
Nebenwirkungen zugeführt werden.
Mittlerweile liegen übrigens etliche wissenschaftliche
Studien zur Wirksamkeit und Verträglichkeit des Suprelorin
Chips bei beiderlei Geschlechtern und verschiedenen Spezies vor.
Federführend ist hier die Kollegin Frau Dr. Sandra Goericke-Pesch,
Fachtierärztin für Zuchthygiene und Biotechnologie der
Fortpflanzung, Diplomate ECAR, der JLU
Giessen Abteilung Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie
zu nennen :
GOERICKE-PESCH S, GEORGIEV P, ANTONOV A, ALBOUY
M, WEHREND A (2011):
Clinical efficacy of a GnRH-agonist implant containing 4.7 mg deslorelin,
Suprelorin®, regarding suppression of reproductive function
in tomcats.
Theriogenology 75: 803-810
GOERICKE-PESCH S, LUDWIG C, HOFFMANN B (2011):
Development of semen quality following reversible downregulation
of testicular function in male dogs with a GnRH agonist implant.
Reprod Domest Anim. 2011 Nov 4. doi: 10.1111/j.1439-0531.2011.01933.x
GOERICKE-PESCH S, GEORGIEV P, ANTONOV A, ALBOUY
M, WEHREND A (2011): Klinische Wirksamkeit eines slow release GnRH-Agonist-Implantates
mit 4,7 mg Deslorelin, Suprelorin®, zur Reproduktionskontrolle
beim Kater. Kleintierpraxis 56, 550
GOERICKE-PESCH S, GEORGIEV P, WEHREND A (2011):
Effect of a GnRH-agonist implant on reproductive function in queens
- Preliminary results.
Reprod. Dom. Anim. 46, Suppl. 3, 108
GOERICKE-PESCH S (2010)
How to use GnRH agonists in practice.
Weiterbildung für Tierärzte, 21.01.2010, Cannes, Frankreich
GOERICKE-PESCH S (2010)
The use of GnRH agonists Updates in
dogs, cats and ferrets.
Reproduksjonsseminar (Reproduction seminar) für Norwegische
Tierärzte, 30.04.2010, NVH Oslo, Norwegen
GOERICKE-PESCH S, GEORGIEV P, WEHREND A (2010)
The use of Suprelorin in tom cats and queens.
Europäische Weiterbildung für Tierärzte, Virbac,
12.10.2010, Gießen
GOERICKE-PESCH S (2011):
Einsatz von GnRH-Implantaten in der Veterinärmedizin. Seminar
Reproduktionsmedizin Rüde und Hündin, 57. Jahreskongress,
DGK-DVG, 10.11.2011, Berlin
GOERICKE-PESCH S, GEORGIEV P, ANTONOV A, ALBOUY
M, WEHREND A. (2011):
Klinische Wirksamkeit eines slow release GnRH-Agonist-Implantates
mit 4,7 mg Deslorelin, Suprelorin®, zur Reproduktionskontrolle
beim Kater.
European Veterinary Award, 57. Jahreskongress DGK-DVG-Kongress,
Berlin 2011
GOERICKE-PESCH S (2011):
Neue Wirkstoffe in der Reproduktionsmedizin beim
Kleintier.
ATF-Fortbildungsseminar Reproduktionsmedizin
Hund und Katze, 15.-16.01.2011, Gießen
Development of semen quality following reversible downregulation
of testicular function in male dogs with a GnRH agonist implant.
S S Goericke-Pesch, C C Ludwig, and B B Hoffmann
Reprod Domest Anim 47(4):625-8 (2012), PMID 22050326
Restart of steroidogenesis in dogs during recrudescence of testicular
function following downregulation with a GnRH-agonist implant.
M M Gentil, B B Hoffmann, ... S S Goericke-Pesch
Cell Tissue Res 350(3):513-23 (2012), PMID 23053053
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